Vorweg: Ich habe Apocalypse World nie gespielt, wohl aber diverse pbtA Ableger. (Monsterworld, Dungeon World, Bluebeard's Bride, Monster of the Week, Velvet Glove..)1) Der Anspruch ist das Casual GameJa und nein. In der Tat wollen die meisten pbtA Spiele die Vorbereitungszeit von "wir setzen uns zusammen" bis "die erste Szene wird gespielt" minimieren. Dazu wird man auch an die Hand genommen, ich sehe das hier aber nicht als einengendes Korsett sondern als helfende kreative Einschränkungen.
"ohne sich dolle anzustrengen" hm. Dunno. Was ist "anstrengen" im Kontext einer Freizeitbeschäftigung? Wahr ist, dass man als Spieler tatsächlich meist nicht mehr braucht als die Playbooks um loszulegen, man muss also nicht viel
Lern- und Vorbereitungsarbeit hineinstecken. Wenn man sich dann aber beim Spiel nicht Mühe gibt, Genre und Handlung zu beachten, dann kommt natürlich auch nur fluffig-oberflächlicher Schaum heraus.
Also: Der casual Teil, den ich hier sehe findet in der Zeit bis kurz vor Spielstart und zwischen den Sessions statt. Die Spielrunde selbst verlangt von allen Beteiligten einiges.
2) Die Moves sind nicht so gut, wie manche zu denken scheinenMoves im pbtA Sinne wirklich zu verstehen ist ein kompletter Hirnfick. Gerade bei Dungeon World habe ich das häufiger erlebt, dass Spielleitungen da versucht haben, ihr D&D-Verständnis auf DW abzubilden und dann scheiterten. Prominentes Beispiel ist hier eben dieser Wahrnehmungs-Move. Die klassische D&D Denke ist "da ist eine Falle, die entdeckt man nur mit gelungener Wahrnehmungsprobe". So sollte kein pbtA Szenario aufgebaut sein! Die Falle löst sich entweder schlicht an "dramatisch interessanter Stelle" von selbst aus, oder die Spieler sehen sie recht einfach. So oder so: Die Herausforderung ist es, diese irgendwie zu entschärfen oder deren Auswirkungen abzufedern.
Und je nachdem welchen pbtA-Ableger man spielt, wird das dann sogar noch egaler. Und zuletzt darf man nicht vergessen dass man nicht für jede schwierige Situation einen Move finden muss, nur damit da gewürfelt werden kann. Kein Move bedeutet meist eher eine von diesen Optionen:
- das gelingt dann halt direkt, wenn die Spieler das wollen und niemand ein Veto erhebt, weil ggfs komplett unglaubwürdig
- das versuchen wir gar nicht erst, weil es eben nicht ins Genre oder zu der gewählten Rolle passt.
3) Oft sind die Auswirkungen von Moves rein mechanisch bzw. helfen der Fiktion nichtDas ist eine Ableitung aus 2). Ich glaube Dir, dass Euch die Moves da nicht geholfen haben. Zugleich behaupte ich, dass Ihr die Moves an der falschen Stelle bzw. mit der falschen Intention angewandt habt und dann zu sehr auf den mechanischen Teilaspekt statt der Kernaussage "was Du willst, klappt!" bzw. "was Du willst, klappt so gerade aber nur mit Konsequenzen" konzentriert.
4) Improvisation ist gar nicht so tollDoch, ist sie. Aber: Der interessante Teil der Handlung in fast allen pbtA Spielrunden die ich bisher hatte fand weniger im Abenteuerplot statt, sondern in der Interaktion zwischen den Charakteren. Im Kern sind die meisten dieser Spiele eine Art von Soap! Ganz vorn dabei ist zum Beispiel Monsterhearts, dem die Bedrohung des Abenteuers fast schon egal ist.
Fazit:Ich kann verstehen, wenn man pbtA nicht mag. Das Spiel ist sehr anders, und gerade die Spielleitung muss sich stark umgewöhnen. Allerdings halte ich daran fest, dass die guten pbtA Spiele genau das liefern, was ihr Klappentext verspricht. Man muss das nur lesen und dann auch wollen.
Beispiele:
Monsterhearts: "... lets you and your friends create stories about sexy monsters, teenage angst, personal horror, and secret love triangles. When you play, you explore the terror and confusion of having a body that is changing without your permission."Bluebeard's Bride: "When you play Bluebeard’s Bride, you aren’t repeating the dark events of that morbid tale. You’re following the skeleton of that story to tell a new one covered in your own bloody fingerprints. The Bride’s story is unpredictable and engaging, leading her down a dark path to an unknown future. Your fate, the terrible contents of the final room, may not yet be fixed, but every step you take moves you closer to your doom."