Falk behauptet, Rollenspiel und Taktik seien per se unvereinbar, da der SL als eine der beiden Konfliktseiten über einen prinzipiellen Wissensvorsprung und potentiell unerschöpfliche Ressourcen verfügt.
An sich scheint die Argumentation auf den ersten Blick schlüssig, praktisch würde ich aber im Detail widersprechen. Meiner Ansicht nacht liegt der "Fehler" der Annahme, ein fairer taktischer Wettstreit könne beim Rollenspiel nicht entstehen, in der Betrachtung des Rollenspiels als einem geschlossenen Gesamtsystem, bestehend aus SL, Spielern und eben dem Spiel als der Interaktion zwischen denselben.
Unter dieser Prämisse würde ich Falk zustimmen - da wir im klassischen Rollenspiel eine stark asynchrone Machtverteilung (zwischen SL und Spielern) innerhalb des Spielgeschehens haben, macht es tatsächlich relativ wenig Sinn, von einem "taktischen Rollenspiel" an sich zu reden.
Wo ich aber durchaus Möglichkeiten zum taktischen Rollenspiel sehe, ist bei der Betrachtung von Subsystemen. Da wäre zum einen die offensichtliche Dimension des taktischen Einsatzes von beschränkten Ressourcen, etwa beim Minmaxing von Charakterwerten. Spielweltbezogener würde ich behaupten, dass aber auch z.B. "ganz normale Kämpfe" durchaus eine taktische Herausforderung darstellen können, gesetzt den Fall, der SL spielt fair und steckt vorab die Rahmenbedingungen fest, beispielsweise die Anzahl, Position, Ziel etc. der Gegner, und gegeben die Möglichkeit für die Spieler, die relevanten Faktoren des Konflikts zu erfahren und mit ihnen sinnvoll zu hantieren - beispielsweise ihre Vorgehensweise anhand der zur Verfügung stehenden Informationen über ihre Gegner, sich selbst, die Situation etc. taktisch klug zu wählen.
Zugegebenermaßen ist auch das natürlich keine klassisch-faire taktische Herausforderung im Sinne etwa einer Schachpartie - die Crux liegt darin, dass der SL die von seiner Rolle im Spiel zur Verfügung stehenden "Ressourcen", die potentiell kaum beschränkt sind, im Voraus passend zum entsprechenden Konflikt "beschneiden" muss - etwa, indem er die Art und Anzahl der Gegner, ihren Plan etc. etc. pp. im Voraus festlegt und diese Fakten dann nicht qua Willkür im Spiel nachträglich ändert, etwa "im Interesse der Spannung".
Das bedeutet, taktische Situationen sind im klassischen Rollenspiel durchaus möglich, allerdings in der Regel eher einseitig als Herausforderung für die Spieler. Gleichwohl halte ich es auch durchaus für eine ernsthafte Herausforderung des SLs taktisch anspruchsvolle Konflikte zu entwerfen, die weder zu leicht noch zu schwer sind - das hat sicher nicht jeder drauf.
Und zudem profitiert solches natürlich von einem SRR-basierten Regelsystem, denn dann kann man tatsächlich taktische Herausforderungen aus der Spielwelt heraus entwickeln.
Davon unbenommen bleibt noch die Frage, inwiefern man noch zwischen taktischen Herausforderungen auf Charakter- und Metaebene unterscheiden sollte, inwiefern "taktisches" Spiel
überhaupt "Charakterspiel" sein kann, und/oder ob das ernsthafte Charakterspiel nicht manchmal sogar taktisches Spiel verhindert. Aber das ist ein anderes Thema.
tl;dr: Ein "taktisches Rollenspiel" als Ganzes gibt es so wohl eher nicht. Taktische Herausforderungen
im Rollenspiel mAn dagegen sehr wohl.
Was haltet ihr von der These?