Wie sollen sie das denn wahrnehmen können? Der Charakter rennt doch nicht auf einmal schneller, weil er seinen Aspekt aktiviert. Die Spielfiguren können keinen Unterschied sehen, ob jemand schneller ist weil der Spieler besser gewürfelt hat oder ob der Spieler einen Aspekt aktivieren musste, um die Probe zu schaffen.
Das ist ein interessanter Punkt.
Ein Charakter soll von seinem Konzept her SCHNELL rennen können. Wie setzt man das um?
- Als Skill - wirkt IMMER, wirkt immer SICHER (mit dem jeweiligen Skill-Wert).
- Als Stunt - wirkt immer dann, wenn die BEDINGUNG für den Stunt gegeben ist, dann aber immer SICHER (mit dem jeweiligen Bonus des Stunts.
- Als Würfelglück - wirkt nur ZUFÄLLIG, nur dann, wenn die Würfel eben mit einem sind, ist bei Fate-Würfeln aber auf +/- 0 eingestellt, somit völlig unsicher.
- Als Aspekt - wir nur, wenn der SPIELER einen Fatepunkte dafür ausgibt, dann aber entweder als Wurfwiederholung (unsicher) oder als fester Bonus +2 (sicher). Wird immer erst NACH einem Wurf plus Skill plus ggf. Stunt überhaupt erst eingesetzt.
Wenn man sich die Modellierung eines Charakters anschaut, so ist ein hoher Skill ein FAKT über den Charakter. Dieser Skill ist reproduzierbar hoch und das stellt auch die Spielwelt über diesen Charakter als eine seiner Eigenschaften fest.
Ein Stunt ist ein unter bestimmten Bedingungen wirksamer "Kompetenzanstieg". Wenn also ein Charakter einen Stunt hat, der ihm beim Wegrennen vor Verfolgern einen Bonus gibt, dann ist dies auch etwas, was in der Spielwelt von Beobachtern feststellbar ist. Der Charakter ist beim Weglaufen schneller als wenn er z.B. im Sturmangriff voranstürmen soll oder im sportlichen Wettkampf mitstreiten soll.
Prinzipiell könnte man es auch dabei belassen - den Zufall komplett rausnehmen. Die Spielwerte der Skills und Stunts stellen eine FAKTEN-Lage über den Charakter dar, die auch für Entscheidungen herangezogen werden kann, ohne gleich auf irgendeinen Zufallseinfluß Rücksicht zu nehmen. - Ein Charakter mit Rennen +5 und Weglauf-Stunt für +2 soll von einem anderen verfolgt werden mit Rennen +1. Da ist selbst ein Ergebnis von +4 auf dem Würfel NICHT in der Lage ihn einholen zu lassen. Somit: Wozu dann noch würfeln? (In manchen Systemen können ja Würfelergebnisse auch neben Erfolgsbestimmung auch noch Komplikationen auslösen, so daß hier das Würfeln nötig und das Spiel bereichernd ist, bei Fate gibt es solche Würfeleinflüsse aber nicht.)
Nun gibt es aber Situationen, in denen es UNSICHER ist, ob etwas gelingt. Da kommt dann der ZUFALL in Gestalt der Fate-Würfel ins Spiel. - Zufall ist aber KEIN Mittel Kompetenz, d.h. über längeren Zeitraum und häufigere Anwendung registrierbare häufige Erfolge, zu modellieren. Auch wenn dem SPIELER zehnmal hintereinander ein +4-Wurf gelingen mag, so ist sein Charakter NICHT kompetenter geworden, sondern hatte "nur Glück".
Die festen Spielwerte wie Skills und Stunts modifizieren, ja PUFFERN das Glück etwas ab, so daß man mit +5 im Skill weniger Angst vor katastrophalem Versagen haben muß, als mit +1 - selbst wenn man mal eine -4 gewürfelt hat. Die Stunts reißen das noch zusätzlich raus, so daß hier spürbare Kompetenzerhöhung auftritt. - Und zwar als FAKT in der Spielwelt, als FAKT in der Wahrnehmung der Spielwelt vom Charakter. Andere Spielweltbewohner erkennen bei einem Charakter mit hohem Skill und ggf. passenden Stunts dessen hohe Kompetenz.
Wie ist das mit den Aspekten?
Will man einen Charakter als schnellen Läufer modellieren, dann hat man mit Skills und Stunts die Mittel in der Hand, ihn von Spielwerten und in der Wahrnehmung der Spielwelt als schnellen Läufer abzubilden.
Mit Aspekten wie "Schnellste Maus von Mexiko" geht das nicht. - Diese sind nicht nur die meiste Zeit UNWIRKSAM, können nur momentan, punktuell, für einen Augenblick wirken, in dem ein Fatepunkt als Meta-Game-Ressource eingesetzt wird.
Damit eignen sich Aspekte genauso wenig zur Modellierung eines Charakters wie ein Würfelwurf. Sie sind eben KEINE FAKTEN, da ihnen die Wirksamkeit über die Dauer des Charakters in der Spielwelt fehlt.
Aspekte haben zwar qualitative Aussagen und kommen mit einer "innewohnenden Poesie" daher, doch sind sie WEDER dem Charakter selbst, NOCH den anderen Bewohnern der Spielwelt irgendwie als FAKT über den Charakter bewußt!
Das liegt daran, daß sie reines Meta-Game-Element sind. - Es könnte die "Poesie" der Formulierung der Aspekte auch völlig fehlen, und die Meta-Game-Eingriffe wären noch genauso umsetzbar. (Hatte ich schon aufgeführt: Jeder Fatepunkt könnte unabhängig von irgendwelchen Aspekt-Formulierungen einfach +2 oder Wurfwiederholung auf beliebige Würfe geben.)
Ein Charakter mit dem Aspekt "Schnellster Sprinter der High-School" IST KEIN "schnellster Sprinter der High-School", wenn er nicht den SKILL-Wert, ggf. die passenden STUNTS aufzuweisen hat. Er bekommt bestenfalls eine Möglichkeit eines PUNKTUELLEN Kompetenz-"Boosts" durch die +2 bzw. die Wurfwiederholung nach einem erfolgen Wurf. Das ist aber ein "Boost", der auch prinzipiell durch Würfelglück überflüssig gewesen wäre.
Somit greft das Aktivieren von Aspekten mittels Fatepunkten nicht bei der Charakterdarstellung in der Spielwelt ein, sondern "manipuliert den Zufallseinfluß", der durch einen Wurf der Fate-Würfel ins Spiel kommt und für Unsicherheit sorgen soll, mehr in Richtung Erfolg für den Charakter. Es ist also eine vom SPIELER gewollte, von einer reinen SPIELER-Ressource im Meta-Game eingebrachte REDUKTION des Zufallseinflusses.
Ein Aspekt beschreibt also NICHT den Charakter! Zu KEINEM Zeitpunkt! Nicht einmal, wenn er aktiviert wird und den Bonus oder die Wurfwiederholung ermöglicht!
Daher verliert man auch nichts, wenn man den Charakter-Aspekt einfach wegläßt. Der Charakter ist weiterhin so gut oder schlecht beschrieben, wie ihn seine Spielwerte darstellen. Man kann den Charakter auch immer noch mit positiven oder negativen Ausprägungen seiner über die Spielwerte modellierten Persönlichkeit darstellen, da man ja auch mit Aspekten NIE darauf beschränkt ist, NUR etwas entlang der Aspekt-Poesie zu spielen.
Wenn man also seinen Charakter als schnellsten Sprinter der High-School spielen möchte, dann kann man ihn im Negativsinne klassisches "Jock-Verhalten" zeigen lassen, oder ihn im Positivsinne leichter eine von Körperlichkeiten beeindruckbare Cheerleaderin anbaggern lassen. Das ist alles einfach eine Frage der PLAUSIBLEN Charakterdarstellung, bei der es KEINEN Wurf auf irgendwas gibt, sondern bei der die hohe Kompetenz als Läufer (Rennen+5 und Stunts) eben nur als FAKT in der Spielwelt, als Information, die auch den anderen Spielweltbewohnern über den Charakter zur Verfügung steht, wirkt.
Wozu dann noch einen Aspekt?
Was bietet ein ausformulierter Aspekt MEHR oder qualitativ ANDERS als eine "Nachwürfel/Bonusgeb"-Ressource, die ein Spieler wie sonstige "Gummipunkte" eben ohne irgendeinen (mehr oder weniger an den Haaren herbeigezogenen) Bezug auf einen "Aspekt-Text" frei einsetzen kann?