Ich würde sagen, ein wichtiger Grund für das Aufkommen von Railroading war das Auseinanderklaffen von Vorstellung und Spielwirklichkeit. Die Flufftexte verhießen dramatisches, mitreißendes Storytelling mit dem alles überschattenden Kampf um die eigene Menschlichkeit, aber die mitgelieferten Regeln und Werkzeuge haben alles mögliche andere unterstützt außer diesem.
Railroading und Illusionismus waren da ein weitverbreiteter Notbehelf um wenigstens irgendwie eine kohärente Geschichte zu erzwingen, wenn auch ohne echte Mitwirkung der Spieler.
Zudem hat das System und insbesondere das Setting meiner Erfahrung nach anziehend auf Powermaster, Spielerkleinhalter und Pet-NSC-Züchter gewirkt. Lauter krassgeile Ahnen mit krassgeilen Kräften (alle mit krassgeiler aber voll dysterer Hintergrundgeschichte), die unerschütterlich an der Spitze der Vampirgesellschaft stehen, und man darf sie als Vehikel benutzen um die doofen Neugeborenen-SCs rumzuschubsen und als Wasserträger einzuspannen.
Ich kenne außerdem sonst kein System, das einen so hohen Anteil an Problemspielern angezogen hat. VtM ist nicht ohne Grund der Trope-Namer für den Fischmalk, aber auch sonst habe ich reichlich Verhaltensweisen gesehen die einfach destruktiv für ein gemeinsames Spiel waren: Vom einsamen Wolf, der jeglichen Gruppenkontakt scheut wie der Teufel das Weihwasser und ständig um Spotlight für Soloaktionen hurt, über den Splatterpunk-Psychopathen für den die Kampagne samt anderer SCs nur eine dünne Pappkulisse für bis ins pornografische Detail beschriebene Psychoaktionen ist, bis hin zum einzigartigen Schneeflöckchen, das unbedingt einen Assamiten/Sabbat-Maulwurf/Vertreter von bizarrer Blutlinie spielen muss, ob es den Gruppenzusammenhalt sprengt oder nicht.
Im Gegenzug mag mancher SL da die Lösung in strafferem Railroading und weniger Freiraum für die Spieler, das Spiel zu sprengen, gesehen haben.
Es mag sicher funktionale VtM-Gruppen gegeben haben, mit einem SL der es versteht seine Kampagne als ergebnisoffene Bühne zu gestalten, nicht in seine NSCs verliebt ist und bereit ist, den Spielern die Hebel in die Hand zu geben um das Spiel tatsächlich zu formen, in einer Konstellation mit vernünftigen Spielern die beim Schaffen der Geschichte aktiv mitwirken wollen. Mir tatsächlich über den Weg gelaufen sind sie mir bis heute noch nicht.